"Die BMW R20 ist eine Herzensangelegenheit": BMW-Motorrad-Chef Markus Flasch im Interview

BMW-Motorrad-Chef Markus Flasch im Interview
„Die BMW R20 ist mir eine Herzensangelegenheit“

Zuletzt aktualisiert am 26.05.2025
Markus Flasch mit BMW R20 Concept
Foto: BMW

Im Interview mit MOTORRAD-Chefredakteur Uwe Seitz gewährt Markus Flasch, BMW-Motorrad-Chef seit November 2023, erneut hochinteressante Einblicke hinter die Kulissen und beantwortet unsere Fragen mit bemerkenswerter Offenheit. Los geht’s mit einem der aktuellen Top-Themen, mit dem BMW Concept RR:

Nach dem BMW Concept R20 im vergangenen Jahr setzt BMW als amtierender Superbike-Weltmeister bei der diesjährigen Concept-Präsentation beim prestigeträchtigen Concorso d'Eleganza Villa d'Este am Comer See voll auf Supersport. Wir haben uns das Concept RR genau angeschaut, und die Basis ist quasi das aktuelle WM-Superbike M 1000 RR, allerdings in vielen Details nochmal einen Schritt weiter, stimmt's?

Ihr habt das richtig erkannt. Die Technik basiert auf dem Weltmeister-Motorrad 2024 von Toprak. Was wir hier erstmals so früh machen: Wir geben einen Vorgeschmack auf unser nächstes Doppel-R-Straßenmotorrad – und zwar in Erscheinung, Geometrie und teilweise auch Materialanmutung. Das bedeutet, dass die Umsetzung von der Rennstrecke direkt in ein Straßenmotorrad noch nie so eng verknüpft war wie jetzt bei diesem Concept. Mir ging es genau darum, dies darzustellen. Denn mit den Erkenntnissen, die Toprak und auch Michael van der Mark direkt für uns gewinnen, arbeiten unsere Ingenieure am nächsten Serien-Motorrad.

Markus Flasch und BMW Motorrad Concept RR (05/2025)
BMW
Man sieht das an der Schwinge, am Heck, auch an dem Wulst am Rahmen, den das WM-Motorrad hat. Auch an den Schaltern.

An solchen Details erkennt man das WM-Bike von 2024. Und das Concept RR zeigt schon, wie der Rahmen, das Heck, die Verkleidung in Sachen Aerodynamik usw. bei einem kommenden, käuflichen BMW-Supersport-Motorrad aussehen könnten.

Ein aktuelles WM-Superbike hat 230 PS oder noch mehr Leistung. Bedeutet das auch, dass die künftige käufliche BMW M 1000 RR dann auch noch mehr Leistung bietet als die aktuellen 218 PS?

Ihr kennt uns ja gut und wisst, dass wir immer, wenn wir ein neues Motorrad bringen, die Grenzen neu verschieben. Das wird auch bei der nächsten RR-Generation so sein. Aktuell freuen wir uns darüber, dass wir die Vierzylinder-Modelle für 2025 deutlich überarbeitet haben und diese sich auch sehr gut verkaufen. Diese Generation hat also noch eine ordentliche Laufzeit vor sich. Danach werden wir aber die besagten Grenzen nochmal verschieben.

Dass an einem Motorrad permanent entwickelt wird, das im Rennsport auch für das Image der Marke steht, versteht sich von selbst. Im vergangenen Jahr hat BMW mit dem R20 Concept dagegen ein eher unerwartetes Projekt vorgestellt. Wie steht es denn darum?

Das Thema BMW R20 ist mir eine Herzensangelegenheit, weil ich so etwas auch als Kunde und als Fan selbst gesucht habe. Einen richtig ausgewachsenen Boxer in einem auf das Wesentliche reduzierten Motorrad. Die sehr positive Resonanz bei und nach der Präsentation auf der Villa d'Este 2024 war trotz hoher Erwartungen auf unserer Seite dann doch sehr überraschend. Alle Märkte dieser Welt haben durchweg positiv reagiert und entsprechend kommentiert, dass dieses Projekt genau so in Serie kommen sollte. Kein zweiter Sitz, keine Komfort-Features. Daran haben wir uns als Zielvorgabe gehalten, und ich habe gerade erst den jüngsten Modulträger gesehen und durfte ihn auf dem Prüfstand auch schon fahren. Vor allem, um zu erleben, wie sich die Dynamik des nochmal größeren Boxer-Motors anfühlt. Ich kann sagen, dass die R20 als Serien-Motorrad sehr nahe dran sein wird an dem gezeigten Concept. Und noch ein kleiner Vorgeschmack: Die Art und Weise, wie dieser luftgekühlte Zwei-Liter-Twin am Gas hängt, diese Spontanität, ist atemberaubend. Alle, die auf so etwas gewartet haben, werden begeistert sein.

Markus Flasch mit BMW R20 Concept
BMW
Wirst Du den Stapellauf der Serie denn noch erleben als BMW-Motorrad-Chef? Wie lange müssen wir denn noch warten auf die R20?

Das ist bei BMW immer völlig unabhängig von der Person. Wir haben die Entscheidung für dieses Projekt als Team getroffen, weil wir daran glauben, dass Kunden so ein Motorrad wollen. Mit mir oder meinem Nachfolger hat das wenig zu tun.

Kommen wir zum aktuellen Portfolio. Alle 1300er-Modelle sind vorgestellt, die Plattform mit GS, R, RS und RT ist bekannt. Die GS verkauft sich hervorragend. Welches andere 1300er-Modell ist die klare Nummer 2 in Eurer Erwartung?

Wir haben 2024 von unseren wassergekühlten Boxer-Modellen in Summe über 80.000 Einheiten verkauft. Das ist Wahnsinn, wenn man sich vorstellt, wie groß mancher Hersteller überhaupt ist, der sich mit uns misst. Die neue GS und GS Adventure sind hier die beiden erfolgreichsten Motorräder. Das Modell, das für uns direkt danach kommt, wird die R 1300 RT sein. Mit der Modellreihe RT besetzen wir nicht nur die Schlüsselposition im Langstrecken-Reise-Segment, sondern auch bei den Behörden. Die RT ist das Polizei-Motorrad schlechthin, weltweit. Aus gutem Grund schwören Einsatzkräfte und Kunden auf die Qualitäten der RT, ihre Alltagsqualitäten mit der Ergonomie, dem Windschutz aber auch ihrer Wendigkeit und Dynamik, die man von außen betrachtet diesem Motorrad vielleicht nicht zutrauen würde – weder als Motorradfan noch als Verbrecher, der damit gejagt wird (lacht). Genau das, Reisetauglichkeit auf der einen, ausgezeichnetes Handling auf der anderen Seite, toppt das neue Modell noch einmal. Die 1300er R und RS werden auch wieder eine große Fan-Basis haben, sodass wir in Summe mit der gesamten neuen R-Baureihe extrem glücklich sind.

Die Reaktionen unserer Leser auf die R-Modelle waren durchaus gespalten. Schon die GS hat sich optisch stark verändert zur Vorgängerin, die R und auch die RS in meinen Augen noch viel stärker. Seht Ihr im Design trotzdem eine Kontinuität?

Gutes Design darf auch im Auge des Betrachters reifen. Ich kann verstehen, dass Fahrer einer R 1250 GS ihr Motorrad für sehr attraktiv erachten und mit der Nachfolgerin, zumal optisch stark verändert, erstmal fremdeln. Aber ganz ehrlich: Der Designwechsel von einem Modell zu einem so stark überarbeiteten Nachfolge-Modell muss auch einen Impact haben. Dazu kommt, dass die Kritik, die wir teilweise im Umfeld der Vorstellung der R 1300 GS und Adventure gehört haben, sich auf Kundenseite überhaupt nicht bewahrheitet hat. Die Motoräder verkaufen sich extrem gut, und auch die Designsprache kommt gut an. Das macht mich auch für R, RS und RT optimistisch. Klar, wir haben die Grenzen technisch wieder verschoben und das Design entsprechend aufs nächste Level gehoben.

Gibt es keine Bedenken, weil die Modelle jetzt relativ spät in den Handel kommen? Ist BMW mit den letzten R-Modellen im ursprünglichen Zeitplan?

In den letzten zwei Jahren haben wir ein riesiges Produktfeuerwerk gezündet. Gefühlt kam alle zwei Monate eine Neuheit von BMW Motorrad. Dazu haben wir Ende 2024 die F 450 GS als Concept gezeigt, die auch medial sehr viel Raum eingenommen hat. Da muss man auf einen gewissen Abstand schauen und nicht, nur weil die Saison kommt, alles auf einmal auf den Markt bringen. Sonst geht die Aufmerksamkeit für die einzelnen Modelle verloren. Entsprechend haben wir diese Staffelung. Insofern läuft alles nach Plan.

Reden wir über die R 18, die Du in unserem ersten Interview eine eher BMW-untypische Baureihe nanntest und deren Verkaufszahlen sicher nicht für Rekorde sorgen. Wie lange baut BMW die R 18-Modelle denn noch?

Vielleicht bin ich da etwas missverstanden worden. Letztes Jahr haben wir von der BMW R 18-Modellfamilie rund 5.000 Stück verkauft, was in diesem Segment stark ist. Auch wenn die Erwartungshaltung zu Beginn des Projekts vielleicht höher war, sind wir sehr zufrieden mit der R 18, haben nochmal investiert und sie aufgefrischt – und werden sie auch weiterhin bauen.

Dann ist die R20 einfach nochmal eine Boxergröße über der R18?

Die R20 wird mit der R 18 neben dem ikonischen Big Boxer erst einmal nichts zu tun haben, außer bei ein paar Bauteilen vielleicht. Die R20 ist ein komplett neues Motorrad und wird auch andere Kunden ansprechen.

Dann reden wir über den aktuell kleinsten Boxer und hier die R 12 G/S, die mächtig für Aufsehen gesorgt hat.

Ich bin das Motorrad selbst gefahren und bin total begeistert von der Performance der G/S. Schon am Anfang meiner Amtszeit hatten die Kollegen aus der Entwicklung zu mir gesagt: "Obacht, da kommt etwas, das im Gelände der R 1300 GS absolut die Stirn bieten kann". Ich war etwas skeptisch, zumal ich zu dem Zeitpunkt in Namibia die GS-Trophy mit der großen GS fuhr. Unsere Entwickler hatten aber absolut recht: Die G/S bietet der GS die Stirn, macht das aber auf eine ganz andere Art und Weise. Sie ist nämlich eine maximal reduzierte, destillierte GS und kommt dem ursprünglichen Konzept, das die G/S einst war, sehr nahe.

In Foren heiß diskutiert wird unter anderem der vorgeschriebene Kardanwechsel an der G/S bei 40.000 Kilometer. Und der fehlende Hauptständer.

Die G/S war nie als kleinere Alternative zur R 1300 GS gedacht. Sie war immer diese stark reduzierte Maschine, weshalb sie auch keine Anti-Hopping-Kupplung hat und der Kardan entsprechend mehr belastet ist. Daher haben wir uns auf ein sichereres Wartungsintervall von 40.000 Kilometer verständigt. Gleiches gilt für den Hauptständer – eine so reduzierte G/S braucht ihn schlicht nicht.

Nun zu etwas völlig anderem, zu den elektrischen CE-Rollern: Während der BMW CE 04 bei E-Zweirädern mit "richtig" Leistung ganz vorn liegt, kommt der CE 02, was die Verkaufszahlen angeht, nicht recht von der Stelle. Ist dieses Projekt schon gescheitert?

Der CE 04 hat knapp 65 Prozent Marktanteil bei den elektrisch angetriebenen Zweirädern über 11 kW Leistung. Dieses Segment hat BMW Motorrad also fest im Griff. Mit der CE 02 haben wir versucht, ein "Stockwerk" tiefer etwas zu machen, das auch die Jugend anspricht. Rund 4.000 Einheiten haben wir davon bisher verkauft. Ich fahre das Bike auch selbst hier innerstädtisch in München und glaube, dass das Projekt noch viel zu jung ist, um es final zu beurteilen. Sicher war der CE 02 mit seinem völlig neuen und avantgardistischen Design für uns als großer Hersteller ein mutiger Schritt, den so noch keiner vor uns gemacht hat. Wir werden das mit unserem Produktionspartner TVS weiter machen, und ich sehe absolut keinen Anlass, beim CE 02 schon aufzugeben.

Kommen wir zum Highlight der letztjährigen EICMA, zur F 450 GS. Alle sind seitdem gespannt, wie sie in Serie aussehen wird, wie nah die Studie an dem dran war, was bald kommt. Wir gehen von einer komplett neuen Plattform aus, richtig?

Die 450er-GS hatte so keiner kommen sehen, und die Weltöffentlichkeit war auf der EICMA 2024 entsprechend überrascht. Das Feedback war überragend und belegt, dass viele Motorradfahrer so eine leichte, sportliche BMW in dieser Klasse haben wollen. Das hat uns nochmal motiviert, alles dafür zu geben, um die Designsprache und die Positionierung sehr nahe an dem anzulegen, was wir in Mailand gezeigt haben. Das Serien-Modell der F 450 GS werden wir noch in diesem Jahr präsentieren und planen, es im Frühjahr 2026 auf den Markt zu bringen. Und MOTORRAD liegt richtig, was die Plattform angeht. Wir entwickeln keinen neuen Motor, um nur ein Modell damit auszurüsten. Da werden noch weitere Modelle kommen, die sich im üblichen Segment-Rahmen von BMW Motorrad bewegen werden, aber dem möchte ich nicht weiter vorgreifen. Die neue Plattform wird bei unserem langjährigen Produktionspartner TVS in Indien gebaut.

Damit bleibt die F 450 GS so geländeorientiert, wie sie vorgestellt wurde?

Genau.

Der Markt aktuell ist aber extrem schwach. Bei den Neuzulassungen liegen wir bei fast 40 Prozent Minus. Die BMW-Quartalszahlen zeigen im Motorrad-Bereich einen Auslieferungsrückgang um -3,9 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Das ist nicht alles der Euro-5+-Umstellung geschuldet, oder?

2025 wird sicher nicht als ein einfaches Jahr in die Geschichte eingehen. Weder bei uns, den Wettbewerbern noch sonst einer Branche. Die geopolitische Volatilität ist sicher nichts, was besonders zum Motorradkauf animiert. Nichtsdestotrotz haben wir bis April weltweit über 60.000 Motorräder verkauft und liegen damit auf Plan. Das Produktportfolio ist so frisch wie schon lange nicht mehr, und ich gehe davon aus, dass jemand, der ein Motorrad kaufen möchte, kaum an uns vorbeikommt. Daher denke ich, dass wir unsere Ziele erreichen werden. Aber klar, das ist anspruchsvoll. BMW Motorrad ist nicht in einem Bereich unterwegs, in dem es rein um Mobilität geht, sondern Luxus und Lifestyle. Wenn das Geld knapp wird, überlegt man sich den Kauf eines Motorrads – genauso wie bei einem Elektro-Fahrrad oder einem großen Urlaub – eben zweimal.

Wenn wir vom Motorrad-Segment sprechen, dann gibt es dort immer nur den einen Kuchen. Um den bemühen sich aber immer mehr Hersteller und wollen ein Stück davon abhaben – jetzt auch immer mehr die Chinesen.

Es ist ein Wetteifern um die Attraktivität. Am Ende geht es immer um das Produkt und das Drumherum. Die Marke BMW Motorrad ist sehr gut aufgestellt, die Marke und die Produkte sind so stark wie noch nie. Ich sehe Wettbewerb generell als Motivation, immer besser zu werden. Wenn jemand neu auf den Markt drängt mit gut gemachter Hausmannskost, zeigt uns das durchaus, an welchen Stellen wir effizienter werden können, ohne aber bei der Qualität nachzulassen. Diesen Wettbewerb schätze ich. Auf der anderen Seite muss ich aber auch betonen, dass ein BMW-Motorrad viel mehr ist als nur ein Produkt. Da steht eine Identität dahinter, eine Qualität, eine Handelsorganisation und eine weltweite Community. Das kann man nicht von heute auf morgen herbeizaubern, nur weil ein Produkt dasteht, das okay ist. Unsere Kunden wissen, dass sie bei BMW Motorrad neben dem Produkt zusätzlich im gesamten Erlebnisbereich rund um das Motorrad das Beste bekommen.

Wenn man dann kopiert, wie Euer China-Partner Loncin das mit seiner Marke Voge und einer 900er-GS-Variante gemacht hat, ist das aber trotz Tradition und Markenidentität nicht lustig, oder?

Kopiert zu werden ist zunächst einmal ein Kompliment. Kopiert werden nur die Besten. Aber ich muss auch zugeben, dass wir damit nicht zufrieden waren, was Loncin als Marke Voge gebracht hat. Wir sind mit Loncin in einer sehr erfolgreichen Partnerschaft, was die Wettbewerbsfähigkeit und Qualität unserer Reihenzweizylinder-Motoren angeht. Wir arbeiten in unserer Partnerschaft weiter, aber ich möchte die Voge-Modelle nicht öffentlich kommentieren. Jedenfalls hat ihre Voge einen sehr guten Motor (lacht). Im Übrigen gehört zu einer guten Partnerschaft auch Transparenz. Beispielsweise sind wir bei TVS genau im Bilde, was die mit ihren eigenen Marken machen. Grundsätzlich macht uns das aber nicht nervös.

Das aktuelle Konsumklima haben wir schon angesprochen. Trump und die Zölle haben sehr viel damit zu tun. Wie reagiert Ihr als globaler Anbieter darauf, verwendet Ihr beispielsweise auch Teile aus den USA?

Wir haben sicher auch Teile aus den USA, aber die haben keinen signifikanten Anteil. Grundsätzlich ist doch zu sagen, dass freier Handel und internationale Zusammenarbeit die Grundlage für Wachstum und Fortschritt sind. Deshalb sind sie seit jeher ein Leitprinzip der BMW Group. Nicht umsonst sind wir als BMW Group auf der Welt so aufgestellt, mit unseren Werken samt Lieferantenstruktur. Die EU und die USA sind die größten Handelspartner der Welt, damit kommt ihnen auch große Verantwortung zu. Beide Seiten sollten zeitnah einen transatlantischen Deal finden, der Wachstum hervorbringt. Davon würden auch die Verbraucher auf beiden Seiten des Atlantiks profitieren.

Das heißt, Ihr habt als BMW Motorrad auch nicht vor, in Berlin-Spandau weniger Motorräder zu bauen und diese dann beispielsweise in den USA zu fertigen?

Das ist nicht geplant.

Von Berlin nach Garmisch sind aber die BMW Motorrad Days auf Dein Geheiß hin wieder umgezogen. Die sollen nun aber nur noch alle 2 Jahre dort stattfinden. Ist der Spardruck aktuell doch so hoch?

Alle haben uns nach der Rückkehr nach Garmisch-Partenkirchen gefeiert, und ich bin sehr happy über diese Entscheidung. Wir haben uns für den neuen Rhythmus entschieden, weil wir die BMW Motorrad Days künftig im jährlichen Wechsel mit der GS Trophy veranstalten werden und das schlicht mit der Machbarkeit zusammenhängt. Eine ganz ähnliche Personengruppe ist mit beiden Veranstaltungen beschäftigt. Um die hohe Qualität beider Events weiterhin sicherzustellen und diese Veranstaltungen zudem weiter entwickeln zu können, haben wir diese Entscheidung getroffen.

Entsprechend wichtig ist die GS Trophy?

Die ist uns angesichts der großen globalen Medien- und Social-Media-Resonanz sehr wichtig. Mit der BMW Motorrad International GS Trophy erreichen wir neben unseren Kunden auch andere, denen wir die Faszination der GS so näherbringen können. Die GS ist mehr als ihr Ursprung mit Wüstenrallye, heute ist das ein ganz eigener Lifestyle. Dem GS-Fahrer braucht man das – vielleicht ist es sogar eine Weltanschauung (lacht) – nicht mehr erklären. Einmal GS, immer GS. Mit dem Konzept der GS Trophy bespielen wir verschiedene moderne Kommunikationsplattformen, um neue Leute dazu zu holen. Das funktioniert mit der GS Trophy weltweit sehr gut. Wir wollen das weiter kultivieren. Letztes Jahr war ich erstmals dabei und fuhr in Namibia ohne große Offroad-Erfahrung durch anspruchsvolles Gelände und tiefen Sand. Dank der GS bin ich ein besserer Offroad-Fahrer geworden und zähle mich nun auch fest zur GS-Community (lacht).

Die Community zu erreichen ist auch Ziel von Messen. Im vergangenen Jahr seid Ihr auf die EICMA zurückgekehrt. Die Intermot ist bemüht, sich erneut als deutsche Leitmesse zu etablieren. Werdet Ihr in beiden Fällen wieder dabei sein?

Die Bedeutung von Messen ist nicht zu unterschätzen. Während Corona gab es ja schon scharenweise Abgesänge auf das Format Messe. Die EICMA war für uns ein riesiger Erfolg, da werden wir auch 2025 wieder dabei sein und ein Feuerwerk zünden. Die Intermot und BMW Motorrad pflegen eine langjährige Partnerschaft, und wir sind stark daran interessiert, diese Messe auch stark zu halten. Eine zentrale Messe für den starken deutschen Markt wäre wichtig.

Einen Österreicher, der in Salzburg wohnt, muss die KTM-Insolvenz doch beschäftigen. Wir wissen auch, dass es zwischen BMW und KTM etwa unter den Ingenieuren viele persönliche Verbindungen gibt. Dazu wurde spekuliert, dass BMW Teile von KTM übernehmen könnte …

Wichtig ist mir zu betonen, dass sich niemand bei BMW Motorrad darüber gefreut hat, dass KTM in solchen Schwierigkeiten ist. Wir haben sehr gute Beziehungen zu KTM, haben auf der Arbeitsebene immer wieder Austausch, wir sind uns kulturell ähnlich. Zu den Spekulationen in den Medien möchte ich mich nicht äußern.

Aber hat man sich bei BMW nicht doch mal gedacht, dass man mit einem Einstieg bei KTM auf einen Schlag ganz vorn im Offroad-Segment wäre?

Wir würden uns freuen, wenn KTM wieder zu alter Stärke zurückkehrt und mit uns im Wettbewerb steht.

In der Superbike-WM ist das definitiv nicht möglich. Da ist Ducati der große Konkurrent. Werdet Ihr diesen Zweikampf wieder für Euch entscheiden, seid Ihr mit der Weiterentwicklung Eures Superbikes auf dem richtigen Weg?

Erstmal zum WSBK-Titelgewinn 2024: Das war so etwas wie die Heilung einer seit langem klaffenden Wunde. Mit dem WSBK-Einstieg vor Jahren und dann vor allem wieder dem Ausstieg gaben wir kein so gutes Bild ab. Aber wir haben gezeigt, dass wenn wir "all in" gehen, Großes schaffen können. Das hat der ganzen Mannschaft sehr gutgetan – und natürlich auch der Marke. Aktuell haben wir durch den Titelgewinn einige "Concessions", wie z.B. den Rahmen, zurückgeben müssen. Das ist aus sportlicher Sicht nachvollziehbar, und wir akzeptieren das. Die Rennen in Most haben aber gezeigt, dass wir in Sachen Leistung voll bei der Musik sind und Toprak mit dem Gesamtpaket und zwei ersten Plätzen unterstreichen konnte, dass wir Top-Niveau haben. Der Sport dort ist jedenfalls auch durch BMW Motorrad auf ganz hohem Niveau.

MotoGP ergibt dann für BMW doch gar keinen Sinn, oder? Die Serie müsste aktuell eher "Moto Marquez powered by Ducati" heißen …

Wir beobachten auch diese Serie und beschäftigen uns strategisch mit vielen Szenarien, wie und ob wir aufsteigen können und wollen. Aktuell laufen interessante Verhandlungen zwischen der Dorna und Liberty Media. Auch in Abhängigkeit davon, zu welchen Ergebnissen diese Verhandlungen führen, werden wir die Situation ausgiebig neu bewerten.

Wäre das ein reines Münchener Projekt? Um die Orangen nochmal ins Spiel zu bringen, von deren MotoGP-Projekt auch niemand weiß, ob und wie lange es das so noch geben wird …

Nur wo BMW drin ist, steht auch BMW drauf (lacht).

Nach gut anderthalb Jahren bei BMW Motorrad, wie fällt Dein Zwischenfazit aus?

Harte Arbeit (lacht). Aber auch viel Freude. Das Wichtigste ist, dass wir hier eine Truppe haben aus Enthusiasten und Leuten, die an die Zukunft von BMW Motorrad glauben und unbedingt dabei sein wollen. Ich will jetzt keine andere Branche diskreditieren, aber an der Spitze von einem Unternehmen zu stehen, das solche Produkte macht, ist fast schon vergnügungssteuerpflichtig. Eines der Highlights war natürlich der Titelgewinn in der Superbike-WM. Zu sehen, wie Bauchentscheidungen voll durchschlagen, dafür steht die Rückkehr unserer BMW Motorrad Days nach Garmisch-Partenkirchen. Das Concept R20 hinzustellen mit dem Gefühl, das könnte ankommen. Und dann zu sehen, wie unglaublich gut das ankommt, das war sicher auch ein Highlight. Auf der GS Trophy erfahren zu können, welch außergewöhnliches Motorrad die GS ist und einen zu einem so guten Motorradfahrer macht, ohne dass man das im Bereich Offroad eigentlich ist, war wirklich beindruckend für mich. Aber was mich jeden Tag ins Büro treibt, ist, wie viele Chancen wir täglich immer noch finden. Selbst dann, wenn wir glauben, jetzt haben wir so ziemlich alles abgedeckt, kommen hier Leute zu mir und präsentieren neue Chancen, die man diskutieren und dann auch angehen kann.

Lass mich da nochmal einhaken: Triumph und Ducati machen jetzt nicht nur Motocrosser, sondern auch Enduros für breiter aufgestellte Kundenschichten. Habt Ihr bei aller Sportlichkeit der gezeigten 450er-GS da keine Ambitionen?

Unser Credo lautet: Stärken stärken. So ergibt es Sinn, dass wir versuchen, den Erfolg der großen GS-Modelle in kleinere Segmente zu bringen. Dabei müssen wir darauf achten, was diese Segmente auszeichnet. Die 450er-GS ist also nicht dafür gemacht, wie mit der 1300er mal locker ans Nordkap zu fahren. Sie wird vielmehr einen Schwerpunkt legen auf Dynamik, Leichtigkeit, Zugänglichkeit und durchaus auch Offroad-Fähigkeiten. Deshalb kam sie beim Publikum ja auch so gut an. Ob wir uns jetzt dahin begeben, wo unsere Konkurrenten sich Erfolge erhoffen, um das so oder so ähnlich dann auch zu machen – da wäre ich vorsichtig. BMW Motorrad braucht Authentizität. Das werden wir immer im Fokus haben.

Die Highlights gehen einem sicher leicht von den Lippen, Du hattest aber auch Startschwierigkeiten. Stichwort Markteinführung R 1300 GS. Das hat sicher nicht alles Spaß gemacht.

In meinem früheren Leben auch vor BMW habe ich viel im Bereich Industrialisierung von Komponenten gemacht. Daher sind mir das Teile-Geschäft, Industrialisierung und die damit verbundenen Schwierigkeiten nicht fremd. Diese Erfahrung konnte ich bei der Problembeseitigung der GS, Du spielst ja wahrscheinlich auf die Koffer und die Starter-Relais an, einbringen. Aber selbstverständlich bin ich überhaupt nicht zufrieden damit, dass uns bei der Markteinführung einer neuen GS technische Aktionen einholen, für die wir die Kunden in die Werkstatt bitten müssen. Die Briefe, der Unmut, der an mich herangetragen wurde, haben mich dann aber auch besonders angetrieben. Die meisten Kunden haben sich dahingehend geäußert, wie schade es ist, dass so ein insgesamt großartiges Produkt von solchen Fehlern in der Industrialisierung so einen Schaden nimmt. Die Community hat sich geäußert, als wären sie direkt in die Sache verwickelt und meinten: "Alles gut, ABER …". Das hat uns zusätzlich motiviert, die Probleme zu beseitigen. Was wir daraus gelernt haben: Nicht alles an einem neuen Motorrad muss man auch neu erfinden. Man kann auch auf Dinge bauen, die gut funktionieren. Und wo keiner nach Innovation schreit, muss man eventuell auch keine Innovation bringen. Speziell bei den Koffern haben wir da vielleicht übertrieben. Heute haben wir es im Griff, aber die leidvollen Extra-Kilometer dahin, die hätten wir uns und vor allem unseren Kunden ersparen können. Aber wir haben ja schon einmal grundsätzlich über das Thema Innovationen gesprochen. Wenn man sich konsequent weiterentwickeln und Innovationen in den Produkten will, dann muss man auch gewisse Risiken eingehen. Und als Innovationsführer in unserer Branche suchen wir immer nach der noch besseren technischen Lösung. Dies auszubalancieren ist die große Kunst des Entwickelns. Man kann in einer Organisation immer nur einen gewissen Anteil dieser Risiken beherrschen. Die große Anzahl an Innovationen, die wir mit der R 1300 GS gebracht haben, hat die Organisation und auch die Lieferanten für einen gewissen Zeitraum sicher überfordert.

Markus, herzlichen Dank für die interessanten Einblicke und Deine offenen Worte.

Zur Person: Markus Flasch

Markus Flasch, Jahrgang 1981, folgte im November 2023 auf Markus Schramm als BMW Motorrad-Chef. Der Österreicher legte nach dem Fahrzeugtechnik-Studium einen steilen Karrierestart beim Engineering-Dienstleister Magna hin, wo er zuletzt als Vorstand Operations & Quality Europe tätig war. 2015 stieg er als Qualitätsverantwortlicher für die Oberklasse und Rolls-Royce bei BMW ein, wurde dann Baureihenleiter der 8er-Reihe und 2018 Leiter der BMW M GmbH. Zuletzt war Flasch verantwortlich für die Entwicklung und Konzeption aller Fahrzeuge der Marke BMW in der Mittel- und Oberklasse sowie der Marke Rolls-Royce.